Quantcast
Channel: Kernbeißer » SZ-Krimi
Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

Krimi Nr. 6 – Falscher Verdacht

$
0
0

Nach den strengen Kritiken hatte ich im letzten Monat, in dem ich etwas zum Krimi-Wettbewerb der Süddeutschen Zeitung beitrug, einen anderen Namen gewählt. Herausgekommen ist diese Geschichte, die gleichzeitig eine der kleinen Vorgeschichten zu dem von mir  verfassten, aber noch nicht bei einem Verlag untergebrachten Kriminalroman darstellt. So, und nachdem ich jetzt so lange auf die Folter gespannt habe – der Siegerkrimi kommt natürlich zuletzt…

„Niemand sagte etwas, ab jetzt war es unmöglich, etwas zu sagen, wir hätten gehört werden können. Im Stall war es noch wärmer als draußen. Er war niedrig, ziemlich groß, weiß gekalkt und leer bis auf ein Gestell, so ähnlich wie das, was in der Schule zum Bockspringen benutzt wird. An den Wänden waren ein paar Ringe eingemauert, vielleicht hatten da früher Pferde gestanden. Es brannte das rötliche Licht, das für die Ferkelaufzucht gebraucht wird. In diesem Stall kam er mir plötzlich größer vor, auch seine Stimme klang anders, als er uns sagte, dass wir uns ganz ruhig verhalten sollten.”(1)

Wir hatten eine Taschenlampe mitgenommen, deren Schein ich mit meiner Hand abzudecken versuchte. Etwas raschelte hinter uns, Emma duckte sich hinter mich. Etwas quietschte unerwartet laut, sie schrie auf und rannte panisch durch den Stall, in Richtung des Tors, durch das wir gekommen waren. Es wurde hell, gleißend hell. Der Strahl meiner Taschenlampe verlor sich in dem Licht, Jens lief auf das Gestell zu, ich bildete mir ein, zwei kleine Blutflecke zu sehen. Oder war es das Licht, dass mir einen Streich spielte und Flecken vor meinen Augen tanzen ließ? Ich versuchte eine Tür, die ich weiter hinten im Stall gesehen hatte, zu erreichen. Etwas traf meinen Kopf, von vorn. Dann wurde es dunkel.

»Geht es Ihnen gut?« Eine angenehme Stimme durchdrang meine Kopfschmerzen. Ich öffnete die Augen. Zwei Männer blickten mich besorgt an. Ich blinzelte. Setzte mich auf und rieb mir die Stirn. Ich spürte einen stechenden Schmerz. Zwei weitere Männer standen bei dem Gestell, das von oben bis unten mit Blut bespritzt war. Mir wurde übel, ich blickte an mir herunter. Ein Blutfleck war auch auf meinem Oberteil.
»Sie sind gegen diesen Balken gerannt.«, die Stimme unterbrach meine Gedanken. Ich blickte wieder nach oben, sah in ein freundliches Gesicht das zu einem dunkelhaarigen Mann in dunklem Mantel und hellem Hemd gehörte. Er streckte mir eine Hand entgegen.
»Können Sie aufstehen?«. Ich nickte, ließ mich von ihm hoch ziehen. Er war ein gutes Stück größer als ich.
»Kriminalkommissar Tilo von Rabenau.«, stellte er sich vor.
»Wo ist Jens?«, fragte ich. Der Kommissar trat zur Seite, der Blick zu dem Gestell war mir verstellt. Dafür blickte ich auf den Balken, den er vorhin erwähnt hatte. Auf Höhe meiner Stirn war ein kleiner Fleck zu sehen.
»Helge Roos, unser Arzt, wird sich kurz um Sie kümmern. Danach würde ich Sie bitten, mir noch ein paar Fragen zu beantworten.«, er nickte mir zu. Ich blickte mich um. Überall wimmelte es von Polizisten. Ohne Widerstand ließ ich mich von dem Arzt zu einem Hocker führen. Er tastete vorsichtig meine Stirn ab, leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in meine Augen.
»Wie fühlen Sie sich?«
»Mir geht es gut. Wo sind Jens und Emma?«, fragte ich.
»Wir bringen Sie ins Krankenhaus.«, antwortete er nur.
Tilo von Rabenau packte mich sanft am Ärmel und zog mich aus der Scheune. Mehrere Polizeiwagen, ein paar Zivilautos und zwei Krankenwagen zerstörten das Bild der ruhigen Dorfstraße, das ich vor meinem geistigen Auge gehabt hatte. Der Kommissar lotste mich zu einem der Krankenwagen.
»Ich werde Sie begleiten.«
Ich drehte mich um. In einen Wagen mit verdunkelten Scheiben wurde ein silberner Sarg geschoben.
Tilo von Rabenau stand hinter mir und fing mich auf, half mir in den Krankenwagen und schob mich sanft auf die Liege. Auf ein Zeichen von ihm setzte sich der Wagen in Bewegung.
»Ist es Jens?«, fragte ich, meine Stimme zitterte.
Er nickte und reichte mir einen Geldbeutel. Meinen Geldbeutel. Ich steckte ihn ein, verwirrt durch die unterschiedlichen Gefühle, die über mich hineinbrachen. Trauer, Furcht, das Gefühl, jemand habe meine Privatsphäre verletzt. Das Interesse an dem ruhigen, dunkelhaarigen Kommissar.
»Sie sind Katrin Laux, 24 Jahre, Studentin?«
Ich nickte. »Katrin reicht.«
»Können Sie mir etwas über gestern Nacht erzählen? Was wollten Sie in der Scheune?«
»Wo ist Emma?«
»Wer ist Emma?«, fragte er erstaunt.
»Wir waren zu dritt. Jens, Emma und ich. Ihre Eltern haben einen Hof hier im Dorf. Sie hat mitbekommen, dass in der alten Scheune nachts ab und zu Licht brennt. Die Scheune steht aber schon seit Jahren leer. Sie hat vermutet, dass hier heimlich Kühe geschlachtet werden, um eine BSE-Erkrankung zu verschleiern. Die Scheune war aber, sieht man von dem Gestell ab, das fest im Boden verschraubt war, vollkommen leer. Auf dem Gestell waren kleine Bluttropfen, denke ich.«
»Was ist passiert?«
»Jemand kam durch das Scheunentor. Ich bin weg gerannt. An den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern.«
Der Wagen ruckelte etwas, als er über eine Brücke fuhr. Der Kommissar musste sich abstützen und berührte leicht meinen Arm. Entschuldigend hob er die Hand.
»Ihr Freundin, diese Emma. Könnte ihre Familie auch von BSE betroffen gewesen sein?«
»Sie hatten einen prächtigen Zuchtbullen, wie Emma sich immer ausdrückte. Er musste eingeschläfert werden, warum weiß ich nicht mehr. Sie haben nur noch Schweine – und ein paar Hühner.«
Ich sah Tilo von Rabenau zu, wie er im Takt des Kopfsteinpflasters auf seinem Sitz auf und ab wippte, meine Kopfschmerzen steigerten sich. Nach zehn Minuten kamen wir am Krankenhaus an. Als mein Kopf in die Kissen des Krankenhausbettes sank, schoss mir das Bild des blutüberströmten Gestells in den Kopf. Es war Jens’ Blut…

… Tilo von Rabenau staunte über sein Verhalten. Er war mit der jungen Studentin bis zum Krankenhaus gefahren, für Informationen, die er mit mehr Härte früher aus ihr heraus bekommen hätte. Was die junge Frau, über das Gestell gesagt hatte, klang interessant.
Der Autopark vor der Scheune hatte sich etwas gelichtet, als wieder er an der Scheune ankam. Roos war mit der Leiche verschwunden, doch Hannes Peschke kroch noch auf dem Boden herum und scheuchte seinen Assistenten mit einer Lampe rings um das Gestell.
»Es gibt alte Blutspuren«, sagte Tilo von Rabenau.
Peschke schaute kurz auf, und deutete dann auf das Gestell.
»Schon entdeckt. Wir untersuchen das Blut separat. Wo habe ich so ein Ding schon mal gesehen? Im Sportunterricht?«
»Hattet ihr Sportunterricht auf einem Bauernhof? Das hier ist eine künstliche Kuh. Zum Entsamen der Zuchtbullen.«
»Der junge Mann wurde gegen das Gestell gedrängt, dann hat ihm offensichtlich jemand den Schädel eingeschlagen. Er hatte Kampfspuren an den Armen.«
Jemand war in die Scheune marschiert, hatte Jens Busch gegen das Gestell gedrückt, ihm den Schädel eingeschlagen und war wieder verschwunden. Die bewusstlose Katrin Laux ließ er liegen. Wofür sprach das? Tilo war sich nicht sicher.
»Die Tatwaffe haben wir nicht gefunden.«, fuhr Peschke fort. »Ich denke, es war ein Vorschlaghammer, oder etwas Ähnliches. Ein stumpfer Gegenstand. Ich spreche nach der Obduktion mit Roos.«

… Katrin Laux wurde nach einem Tag im Krankenhaus entlassen und hinterließ für Tilo von Rabenau eine Adresse, unter der er sie erreichen konnte. Studentenwohnheim, stellte er fest, als er prüfend auf den Zettel sah, den er in der Hand hin und her drehte. Er war auf dem Weg ins Präsidium, Peschke und Roos hatten ihm die Ergebnisse ihrer Untersuchungen versprochen…

…Tilo war ungeduldig, und wollte Peschke, der in einer riesigen Akte blätterte, die Notizen fast aus der Hand reißen.
»Wir haben die Untersuchung abgeschlossen.«, meinte Peschke. Und wedelte mit zwei Blättern. »Das meiste Blut stammt von Jens Busch, doch die eingetrockneten Flecken sind nicht von ihm. In der Täterdatenbank wurden wir nicht fündig, aber wir haben es geschafft, das Blut eindeutig zuzuordnen.«
»Und?«
»Wir haben ihn.« Er reichte Tilo den Zettel. Tilo runzelte die Stirn, musste dann bitter lächeln und rief ein Einsatzteam…

…Ich hatte mich damit abgefunden, dass mich die Polizei in Ruhe lassen würde, als es an der Tür zu unserer WG klingelte. Vor der Tür stand der Kommissar. Er blickte neugierig in unsere Wohnung, trat ein und wirkte sofort deplatziert.
»Ich war schon lange nicht mehr in einer Studenten-Bude.« sagte er, mit einer Betonung auf dem Wort Bude, die deutlich machte, dass er nicht genau wusste, ob man heute noch Bude sagte. Ich lächelte ihn an.
»Wenn Sie in die Küche kommen wollen, und darüber hinweg sehen, dass der Abwasch noch nicht gemacht ist, kann ich Ihnen Tee anbieten.«
Er folgte mir in die Küche, nicht ohne vorher noch einen vorsichtigen Blick in die offenen Räume zu werfen.
»Haben Emma und Jens auch hier gewohnt?«, fragte er.
»Jens schon. Emma wohnte ein Stockwerk unter uns.«, mir schlug das Herz bis zum Hals. »Wie geht es ihr?«
»Wir haben sie gefunden. Und wir haben auch den Mörder von Jens gefasst.«
Er nahm die Teekanne, zwei Tassen und schenkte uns ein.
»Wer war es?«
»Er heißt Allen«, er setzte sich und drehte die Tasse zwischen seinen Händen hin und her.
Mir war der Name unbekannt. Ich sah den Kommissar an und entdeckte in seinen Augen Verzweiflung. Er wollte mir etwas beibringen, möglichst schonend. Aber irgendetwas an dieser Rücksicht war seltsam. War er amüsiert oder fasziniert? Ich konnte es nicht sagen.
»Ihr Freund ist von einem Bullen getötet worden. Als sich die Tür öffnete, kamen zwei Männer herein, die ihn an der künstlichen Kuh von seinem Samen erleichtern wollten.«
»Warum ausgerechnet in dieser alten Scheune?«
»So ein Zuchtbulle gibt Geräusche von sich, auch wenn er nur eine Plastik-Kuh beglückt. Es sollte heimlich passieren. Allen, ist der Bulle, den der Vater Ihrer Freundin vor einem Jahr angeblich einschläfern ließ. Er kassierte die Versicherungssumme und verkaufte unter der Hand den Samen weiter. Ein gutes Geschäft.«
»Und Jens?«
»Kam bei der Verwirrung, die durch Ihre Anwesenheit herrschte, zwischen die künstliche Kuh und den Bullen. Der Bulle riss sich los und drückte ihn gegen die Kuh. Er hat ihn mit den Hörnern an den Armen verletzt, Jens ging zu Boden, dann kam er dem Bullen vor die Hufe. Jens war sofort tot. Emma hatte erkannt, um welchen Bullen es sich handelte. Ihr Vater hat sie einfach mitgenommen. Soweit wir das beurteilen können, um sie davon zu überzeugen, nichts zu sagen.«
»Hat sie vorher gewusst, dass ihr Vater dort in den Stall kam?«
»Ich denke nicht, sonst hätte sie wahrscheinlich niemanden dort hin geführt.«
Er trank den Tee aus und erhob sich. Hätte ich ihn bitten sollen, noch zu bleiben? Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, dann schossen mir Tränen in die Augen. Ich blickte auf den Küchentisch. Auf seiner Tasse stand „Jens“. Daneben lag der Zettel mit meiner Adresse, den ich ihm geschrieben hatte. Ich zog den Zettel an mich. Der Zettel war weich, oft durch seine Hände gegangen. Jetzt stand auch auf der Rückseite etwas.

(1) Aus: Rufmord – Dick Francis


Viewing all articles
Browse latest Browse all 5

Latest Images

Pangarap Quotes

Pangarap Quotes

Vimeo 10.7.0 by Vimeo.com, Inc.

Vimeo 10.7.0 by Vimeo.com, Inc.

HANGAD

HANGAD

MAKAKAALAM

MAKAKAALAM

Doodle Jump 3.11.30 by Lima Sky LLC

Doodle Jump 3.11.30 by Lima Sky LLC

Trending Articles


Tiburon para colorear


Gwapo Quotes : Babaero Quotes


Winx Club para colorear


Girasoles para colorear


Dibujos de animales para imprimir


Renos para colorear


mayabang Quotes, Torpe Quotes, tanga Quotes


Love Quotes Tagalog


Tagalog Love Facts About Men


Mga Tala sa “Unang Siglo ng Nobela sa Filipinas” (2009) ni Virgilio S. Almario





Latest Images

Pangarap Quotes

Pangarap Quotes

Vimeo 10.7.0 by Vimeo.com, Inc.

Vimeo 10.7.0 by Vimeo.com, Inc.

HANGAD

HANGAD

MAKAKAALAM

MAKAKAALAM

Doodle Jump 3.11.30 by Lima Sky LLC

Doodle Jump 3.11.30 by Lima Sky LLC